Meine Meinung!
 

 Demokratie

Über die Verantwortung des Einzelnen und die Bedeutung von Information

23. März 2009

Demokratie bedeutet: Herrschaft des Volkes.

"Das Volk" ist in diesem Zusammenhang als handelndes Subjekt etwas sehr Abstraktes. Um von dieser Abstraktionsebene wieder auf die Realität herunter kommen zu können, muss einiges geschehen: Zum Beispiel wird der "Wille des Volkes" interpretiert als der "Wille der Mehrheit des Volkes". Vielleicht kein guter, aber immerhin seit einigen tausend Jahren der beste erprobte Ansatz.

Darüber hinaus wird die "Willensäußerung" eines nennenswerten Anteils des Volkes auf wenige Zeitpunkte - die Wahlen alle vier oder fünf Jahre - und wenige Themen, nämlich auf eine Auswahl von Mandatsträgern, mit denen sich allenfalls noch bestimmte Wahlkampfthemen in Verbindung bringen lassen, beschränkt.

So gesehen bleibt von der "Herrschaft des Volkes" schon nicht mehr viel übrig. Aber wie sieht es denn aus mit der Bereitschaft des Volkes, zu herrschen und sich eine Meinung, einen Willen zu bilden und diesen auch kundzutun?

Herrschen, Macht ausüben - beides durchaus auch im positiven Sinne von "gestalten wollen" zu verstehen - muss man können und wollen und es beinhaltet das Übernehmen von Verantwortung.

Es liegt in der Natur des Menschen (und auch anderer Lebewesen), dass jedes Individuum bestimmte Stärken und Schwächen hat; nicht jedes ist von seinen Fähigkeiten her dazu geeignet, die Belange der Allgemeinheit nach seinen Vorstellungen zu gestalten und dafür die Verantwortung zu tragen. Insofern ist das Prinzip der indirekten Demokratie, also der Wahl von Mandatsträgern, durchaus positiv zu sehen, weil sich dadurch die Chance ergibt, die Geeignetsten herrschen zu lassen. Aus meiner Sicht bleiben aber zwei Fragen:

Erstens: Um in unserem Demokratiesystem Mandatsträger zu werden, um also der tatsächlichen Machtausübung zumindest näher zu kommen, bedarf es bestimmter Fähigkeiten; es ist ein bestimmter Typ Mensch, der als Politiker Erfolg haben kann. Sind diese Fähigkeiten auch diejenigen, die ihn in die Lage versetzen, zum Wohle der Allgemeinheit oder wenigstens im Sinne derjenigen zu handeln, die ihn gewählt haben?

Zweitens. Welche Verantwortung verbleibt bei jedem einzelnen auch nachdem er sich durch einen Mandatsträger bei der Machtausübung vertreten lässt?

Die zweite Frage ist meiner Meinung nach leichter zu beantworten, zumindest wenn man die erste etwas fundierter als mit einem bloßen "Nein!" erledigen will. Meines Wissens sind die erforderlichen Fähigkeiten eines Politikers nirgendwo definiert, geschweige denn, dass sie abgeprüft würden, bevor sich jemand zur Wahl stellen darf. Ein solches Vorgehen wäre auch dahingehend problematisch, dass eine solche Prüfungsinstanz selbst absolut neutral sein müsste, und es keine Möglichkeit gibt, das sicherzustellen. Leider kenne ich auch keine Untersuchungen dazu, durch welche Umstände und welche Fähigkeiten oder Eigenschaften Politiker erfolgreich werden. Meines Erachtens bietet sich hier ein breites und sehr wichtiges Betätigungsfeld für Soziologen und ich fürchte, dass uns die Ergebnisse nicht begeistern könnten.

Da ich kein Solziologe bin und mir die weitere Meinungsbildung zu dieser Frage schwer fällt, lege ich den Schwerpunkt dieses Artikels also auf die Beantwortung der zweiten Frage, die mich selbst - und wie ich finde ebenso jeden anderen Wahlberechtigten - auch viel unmittelbarer betrifft: Die Frage nach der Verantwortung, die trotz gewählter Mandatsträger bei den Bürgern verbleibt.

In der Verantwortung jedes Einzelnen bleiben meiner Meinung nach mehrere Dinge, die sogar durchaus mit Aufwand verbunden sind:

Als erstes gilt es, den eigenen "Herrschaftsanspruch" zu dokumentieren, darzustellen, dass man willens ist, die Mittel des Demokratiesystems auch zu nutzen.

Eine Wahlbeteiligung von nur 36,5% (Wahl zum Kieler Oberbürgermeister am 15.03.2009) ist im Gegensatz dazu Ausdruck der Gleichgültigkeit. Zwei Drittel der Bürger WOLLEN NICHT gestalten, denn das Argument, man ginge nur deshalb nicht zur Wahl, weil keine der angebotenen Alternativen wählbar sei, kann nicht gelten, denn es WIRD jemand gewählt und der handelt anschließend für alle, auch für diejenigen, die ihn für nicht wählbar hielten. Man kann also entweder das geringere Übel wählen oder man muss vor der Wahl etwas unternehmen und dafür sorgen, dass es eine wählbare Alternative gibt - sich im Zweifelsfall also selbst politisch engagieren.

Auch das Argument, dass diese eine Stimme, die ich nicht abgebe, ja ohnehin nicht ins Gewicht falle, ist nicht stichhaltig, denn es ist eben nicht nur eine Stimme, die nicht abgegeben wird, sondern in obigem Beispiel sind es 63,5% der Stimmen.

Einzig gültige Entschuldigung für das Fernbleiben von einer Wahl kann meiner Meinung nach nur sein, dass der betreffende Nichtwähler alle Kandidaten für akzeptabel hält. Das will ich aber erstens nicht so recht glauben und zweitens passt es auch nicht zum allgemeinen Lamentieren über die Unzulänglichkeiten der Politik und der Politiker.

Wer an Wahlen nicht teilnimmt, drückt damit aus, dass er ebensogut bereit wäre, unter einer Diktatur zu leben. "Solange es mir gut geht, warum denn nicht?" mag sogar der eine oder andere einwenden, aber genau da liegt der Widerspruch: In dem Moment, in dem das Volk seinen Herrschaftsanspruch aufgibt und sich eine Diktatur etablieren kann, erlischt das Interesse der Herrschenden am Wohle des Volkes. Es hat eben noch keine Diktatur gegeben, unter der es der Mehrheit des Volkes dauerhaft gut ging.


Welche weitere Verantwortung tragen wir als Volk? Wir müssen eine Informationsgrundlage schaffen, auf der wir die Entscheidung für das richtig Kreuz auf dem Wahlzettel treffen könnnen!

Wir müssen in Erfahrung bringen, welche Ziele die einzelnen zur Wahl stehenden Kandidaten verfolgen und wir müssen diese Ziele auf der Grundlage sachlicher Information für uns selbst bewerten können. Das Beschaffen dieser Informationen ist richtig viel Arbeit! Manchmal ist es sogar unmöglich, aber das ist leider das Wesen einer jeden Entscheidung (und deswegen fallen vielen Menschen Entscheidungen so schwer), dass man nämlich zu dem Zeitpunkt, zu dem man sie treffen muss, nur einen Teil der Informationen hat, die man bräuchte, um sicher die richtige Entscheidung zu treffen.

Leider werden wir Bürger von Seiten der Politiker, die von uns gewählt werden wollen, viel zu wenig bei der Informationsbeschaffung unterstützt.

Zum einen müssen Politiker natürlich eine möglichst große Zahl von Wählern erreichen und überzeugen - oder vielleicht sollte ich besser überreden sagen. Das liegt eben in der Natur der Demokratie, die ja wie schon gesagt den "Willen des Volkes" als "Willen der Mehrheit des Volkes" definiert.

Zum anderen - und da sind wir wieder bei der Verantwortung von uns Wählern - ist es leider meistens viel einfacher, eine Stimme durch weiche Faktoren wie Sympathie oder emotionale Einschätzungen zu erlangen als durch harte Fakten.

Welche Probleme unserer Gesellschaft, für die entschlossenes politisches Handeln wichtig wäre (Gesundheitsreform, Arbeitsmarkt, Klimawandel, ...), lassen sich denn für einen hinreichend großen Personenkreis - Wähler, aber auch Mandatsträger - in ihren Kausalzusammenhängen so transparent darstellen, dass eine sachliche Information und Diskussion darüber möglich ist? Sehr, sehr wenige!

Trotzdem ist es kein Ausweg, sich in weniger sachliche Bewertungen und Entscheidungskriterien zu flüchten! Unsere Verantwortung bleibt von der Komkplexität der Probleme unberührt!

Wir - die Mehrheit der Wähler - müssen die Informationen, die wir für eine fundierte Meinungsbildung brauchen, einfordern. Gleichzeitig müssen wir uns klar machen, dass auch Politiker oben beschriebenem Entscheidungsdilemma unterliegen: Es sind nicht immer alle erforderlichen Fakten verfügbar. Ganz zu schweigen davon, dass es oft sehr schwierig ist, Fakten von Meinungen und Bewertungen zu trennen.

Das System ist nicht perfekt, aber wenn wir uns wegen der Unzulänglichkeiten des Systems nicht mehr daran beteiligen, wird es noch viel schlimmer!


P.S.: Inzwischen gibt es sogar einen Ansatz, die Meinungsbildung durch Arbeitsteilung zu rationalisieren: Unter www.wahlomat.de stellt die Bundeszentrale für Politische Bildung die programmatischen Aussagen der großen Parteien zu einer Auswahl von Themen vergleichend gegenüber.

Wie ich finde eine gelungene Idee, zumindest ein Minsdestmaß an Information auf einfach zugängliche Weise bereitzustellen.

Darüber hinaus bietet das Internetangebot des Bundestages umfassende Informationen über den dort stattfindenden Meinungsbildungsprozess, der sich letztlich in Gesetzen manifestiert. Zum Beispiel lassen sich dort sogar Sitzungsprotokolle von Ausschüssen inklusive der Stellungnahmen von Sachverständigen wörtlich nachlesen.

Zugegeben: Daraus die Informationen zu filtern, die man braucht, um sich eine Meinung zu bilden, ist mit viel Aufwand verbunden, aber nirgendwo steht schließlich, dass herrschen nicht mühsam sei.


Schreiben Sie mir Ihre Meinung zu diesem Thema/Artikel!


Kommentare, die ich zu diesem Artikel erhalten habe:

Leider noch keine.


Fortschritt = Degeneration? Menschenrechte statt rechte Menschen!

Home
Falls diese Seite ohne Navigationsleiste angezeigt wird, aktivieren Sie Javascript oder klicken Sie hier!