Meine Meinung!
 

 Sprachliche Emanzipation

07. Dezember 2008

Liebe Leser!

Sie fühlen sich nicht angesprochen? Weil Sie eine Frau sind? Das tut mir Leid! Ich kann Ihnen aber versichern, dass ich kein Chauvinist und auch kein sprachlicher Reaktionär bin, im Gegenteil! Ich halte mich für einen liberalen Menschen und Freund der Rechtschreibreform.

Deshalb handelt es sich hier nur um ein Missverständnis - provoziert von über das Ziel weit hinausgeschossenen Emanzen, was ich hier als Bezeichnung für solche Frauen meine, denen mit Blick auf die Gleichstellung von Mann und Frau das Augenmaß abhanden gekommen ist.
Ich möchte dieses Missverständnis aufklären:

Die Deutsche Sprache kennt männliche, weibliche und sächliche Nomen. Der Tisch ist immer männlich, die Schlacht immer weiblich und das Schiff immer sächlich - obwohl Schiffe immer weibliche Namen tragen, die sogar männliche Bezeichnungen entmannen: Die "Polarstern", die "Gorch Fock". Darüber hat sich komischerweise noch nie eine Emanze aufgeregt.

Aber zurück zum Thema! In den Fällen, in denen die Nomen ihrem Sinne nach Personen bezeichnen, gibt es ebenfalls drei Formen: Die männliche, die weibliche und die unbestimmte Form. Letztere wird immer dann gebraucht, wenn der Sprecher oder Schreiber das Geschlecht nicht weiß oder - z.B. im Plural - es nicht eindeutig ist.

Da ich also nicht weiß, ob Sie lieber Leser ein Mann oder eine Frau sind, habe ich in meiner Anrede die unbestimmte Form Leser benutzt. Diese sieht zufällig genauso aus wie die männliche Form. Aus diesem jahrhundertelang völlig unproblematischen Sprachgebrauch eine Ungleichbehandlung und Diskriminierung oder auch nur eine Unhöflichkeit herleiten zu wollen ist abwegig bis ärmlich!

Schließlich gibt es weitere sprachliche Formen, die einander gleichen und nur aus dem Zusammenhang richtig zugeordnet werden können, z.B. Leser (Einzahl oder Mehrzahl?) oder ihre (Possesivpronomen, besitzanzeigendes Fürwort: weiblich Einzahl, weiblich Mehrzahl oder gar männlich (!) Mehrzahl?) oder der Konjunktiv und das Imperfekt vieler Verben:

Ich machte mir nichts aus Veränderungen der Sprache, wenn sie nicht von Ignoranz und Ideologie geprägt wären. (Konjunktiv)

Ich machte mir nichts aus Veränderungen der Sprache, bis mir klar wurde, dass sie von Ignoranz und Ideologie geprägt sind. (Imperfekt)

Darüber hinaus hat auch noch niemand vorgeschlagen, wie man denn z.B. den unbestimmten Begriff niemand verweiblichen sollte, niemandin oder doch besser niefraud?

Wie steht es mit der unbestimmten Wendung jemand, der? Sollen wir künftig schreiben Jemand, der oder jefraud, die ...?

Mit dem unbestimmten man haben sie es ja schon geschafft und gelegentlich liest frau tatsächlich die verweiblichte Form, wobei ich es erschreckend finde, dass selbst ent-n-te Männer für Emanzen offenbar eine Bedrohung darstellen, die es zu beseitigen gilt. Frau könnte ja auch auf die Idee kommen, dass man gar nichts mit Mann zu tun hat. Sonst müsste es ja auch Efrauze heißen.

Unsere Kinder müssen Sprache mühsam lernen. Sollen wir ihnen wirklich beibringen, dass sie demnächst nicht mehr von ihren Eltern sondern von ihren Elterinnen und Eltern sprechen sollen? Im Fall einer einzelnen Familie würde die Geschlechtergleichbehandlung dann auch zu einer Änderung des Numerus führen und es wäre von der Elterin und dem Elter die Rede!

Ich finde; es gibt sowohl beim Thema Gleichberechtigung als auch beim Thema Sprache so viele so viel wichtigere Baustellen, dass die FrauenrechtlerInnen und alle anderen Interessiertinnen und Interessierten sich - um beim Thema dieses Artikels, der Sprache zu bleiben - lieber einer Wiederbelebung anderer sprachlicher Präzision und Vielfalt widmen sollten - z.B. dem Konjunktiv oder dem Unterschied zwischen das selbe und das gleiche oder auch der Vermeidung unsinniger Superlative wie einzigster, optimalster - statt solche vorstehenden Schriftbildkrücken oder Formulierungsmonstren zu provozieren.

Und mit welchem Recht wird in diesen Monstren die weibliche Form immer zuerst genannt? Gäbe es Emannzen, damit meine ich Männer, die sich für ihre Gleichstellung engagieren, müssten diese darauf bestehen, dass solche Formulierungen die männlichen und weiblichen Formen immer abwechselnd zuerst nennen. Aber es gibt sie nicht. Wir bleiben der Tradition treue Kavaliere und stehen auch Emanzen gegenüber gelassen zum althergebrachten Motto: Lady is first.


Schreiben Sie mir Ihre Meinung zu diesem Thema/Artikel!


Kommentare, die ich zu diesem Artikel erhalten habe:

Die Emanzipation der Frau vom Manne folgt der Emanzipation des Menschen von Gott nach und vervollkommnet diese gewissermaßen in ihrem unfrohen Sinne.
Mich hat es vor den Doppelformen immer geekelt, da sie die Frau, da sie mich schon rein sprachlich in die Ungeborgenheit hinausstellen, in die Einsamkeit und Selbstverantwortlichkeit.
Wollte ich mich doch gerne klein machen und klein fühlen, wenn ich nur hoffen und glauben könnte, dass ein anderer in der Lage wäre, mich zu bergen.


Kein Kommentar zu meinem Artikel, aber unten stehende Kolumne, die fast genau in die selbe Kerbe schlägt, erschien unter dem Kürzel bsi am 29.08.2009 in der Eckernförder Zeitung:

Gleichberechtigter Schwachsinn

Ich bin durchaus froh über die Errungenschaften der Emanzipation: Wahlrecht für Frauen, Recht auf Selbstbestimmung - das und vieles andere war schließlich lange Zeit nicht selbstverständlich. Doch was für Blüten die sogenannte Gleichberechtigung treiben kann, zeigt sich in der Sprache. Mir tränen die Augen angesichts diverser Wörter-Verkrampfungen mit dem Zusatz "-innen". Damit ist nicht etwa die (sinnvolle) geschlechtsspezifische Berufsbezeichnung (Mechaniker, Mechanikerin etc.) gemeint, sondern so unglaubliche Schöpfungen wie "Gästinnen" und "Mitgliederinnen". Dabei ist die Grundform "das Mitglied" ja schon so neutral, da kann sich doch niemand beschweren. Eine Weiterführung des gleichberechtigten Schwachsinns wäre dann zum Beispiel "der Aushilfer" statt "die Aushilfe" oder "der Hebammer". Doch ich glaube nicht, dass die Zwangsverweiblichung im deutschen Buchstabenwald glorreiche Verbesserungen für Frauen bringt. Liebe Emanzen (und Emanzer), wirklich wichtig ist doch, dass Weiblein und Männlein zum Beispiel für die gleiche Arbeit die gleiche Bezahlung erhalten. Dafür lohnt der Einsatz wirklich.



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