Meine Meinung!
 

 Fortschritt = Degeneration?

10. Dezember 2008

Lassen Sie uns mal einen Blick werfen auf die Folgen moderner Technik in unserem Alltag:

Das Handy klingelt: "Hallo?!" - "Hallo, hier ist ... Wo bist du gerade?"

Früher hätte die erste Frage gelautet: "Wie geht es dir?"
Gut, man kann sagen, auch das sei nur eine Floskel gewesen, und schließlich lässt auch die Antwort auf die Frage nach dem Aufenthaltsort Rückschlüsse auf das Wohlbefinden zu: "Beim Shoppen!" heißt bei Frauen - nur um spaßeshalber ein Klischee zu bedienen - "Es geht mir prima!" und bei Männern "Frag' lieber nicht, sie hat mich 'rumgekriegt!"

Ich möchte mit diesem Beispiel aber gar nicht in irgendeine gesellschaftskritische Diskussion einsteigen. Ich möchte nur zeigen, dass technische Errungenschaften wie das Handy unsere Gewohnheiten, unser Verhalten, unser Leben verändern, und zwar ohne dass wir es merken, wenn wir uns nicht ab und zu zwingen, darüber nachzudenken (oder durch Zufall auf diese Internetseite gestoßen sind). Ich finde es wichtig, sich diese Veränderungen zu vergegenwärtigen, sich zu fragen, ob man die Entwicklung gut findet und ggf. gegenzusteuern, falls das geht. Gegensteuern kann man ja nur beim eigenen Verhalten, nicht oder fast nicht bei dem "der Gesellschaft", all der Leute um einen herum. Beispielsweise halte ich es nicht für richtig, kein Handy zu haben, nur weil einem z.B. obige Entwicklung missfällt. In der Gesellschaft, in der wir leben, hat nun mal jeder ein Handy und deshalb gibt es bald keine Telefonzellen mehr. Deshalb hält auch keiner an, wenn ich eine Autopanne habe, denn jeder geht davon aus, dass ich mir per Handy Hilfe holen kann. Also habe auch ich ein Handy, und nehme die Nachteile in Kauf.

Zum Beispiel auch folgenden, viel schlimmeren. Er betrifft nicht nur Handys alleine, aber der Effekt trat - zumindest bei mir - mit dem Aufkommen des Handys das erste Mal auf: Dadurch, dass alle Telefonnummern im Telefon gespeichert sind, weiß ich sie nicht mehr auswendig! Ich habe keinen Anlass mehr, sie zu lernen und ich muss sie auch nicht mehr wählen (wodurch ich sie ohne Zutun lernen würde), sondern ich brauche nur noch einen Namen aus einer Liste auswählen.

Warum das ein Nachteil ist? Nun ganz abgesehen von den wenigen Gelegenheiten, bei denen ich gezwungen bin, mit einem fremden Telefon zu telefonieren und dann die Nummer nicht weiß, führt es ganz allgemein zur Degeneration meiner Gedächtnisfähigkeiten. Und das liegt nicht am Alter! Die Telefonnummern, die ich schon auswendig wusste, bevor ich ein Handy hatte, weiß ich auch heute noch!

Es gibt noch weitere technische Helfer, die zur Degeneration unserer Fähigkeiten beitragen:

Seit ich Mathematik-Nachhilfeunterricht gebe, stelle ich mit Entsetzen fest, in welchem Ausmaß der Taschenrechner die Kopfrechenfähigkeiten unserer Kinder dezimiert. Und nicht nur das: Ergebnisse, die ein Taschenrechnerdisplay anzeigt, werden kritiklos geglaubt, egal wie groß die Chance ist, dass man bei der Eingabe ein Paar Klammern vergessen haben könnte, und egal wie wenig plausibel das Ergebnis ist. Nicht nur, dass die Rechenfähigkeit verschwindet, was viel schlimmer ist: Es verschwindet auch das Vertrauen in die eigenen Denkfähigkeiten. Die Schüler trauen sich selbst nicht zu, zu entscheiden ob sie das angezeigte Ergebnis akzeptieren oder verwerfen sollten. Vier geteilt durch zwei wird mit dem Taschenrechner gerechnet, damit man sicher ist, keinen Fehler zu machen! (Das ist keine überzogene Darstellung sondern bittere Realität!) Im übertragenen Sinne gilt das auch für Computer: Daten, die ein Computer ausspuckt sind über allen Zweifel erhaben. Die Wenigsten machen sich klar, dass im günstigsten Fall nur ihre eigene Eingabe, im ungünstigsten aber auch ein von unbekannten Menschen geschriebenes, nicht überprüftes Programm für das Zustandekommen der Daten verantwortlich ist.

Das "Navi", also das GPS-Navigationssystem ist der dritte Helfer zur Degeneration unserer modernen Gesellschaft. Zum einen gilt ähnliches wie bei Telefonnummern und Handys: Wege, die ich der Stimme meines Navis folgend einmal gefunden habe, habe ich noch lange nicht so verinnerlicht, dass ich sie auch drei Wochen später noch ohne Hilfe wiederfinde. Ganz anders, wenn ich mir eine Strecke selbst mit Hilfe einer Karte erarbeitet habe. Mit Navi wird also das Gedächtnis nicht gefordert, man kann es ja jedes Mal wieder benutzen. Zum anderen verkümmert die Fähigkeit sich selbst zu orientieren.

Ich habe mich bis hierher auf technische Errungenschaften beschränkt, die im Wesentlichen geistige Fähigkeiten abbauen. Natürlich gibt es - und zwar schon viel länger - auch solche, die die körperlichen Fähigkeiten reduzieren, z.B. das Auto, Elektrowerkzeuge, usw.

Das hat folgenden Grund: Ich bin der Meinung, dass man körperliche Defizite mit ein wenig "Köpfchen" durchaus ausgleichen kann, z.B. dadurch, dass man technische Hilfsmittel ersinnt. Wer aber soll den Fortschritt weitertreiben, wenn wir uns durch seine Ergebnisse selbst degenerieren? Vielleicht werden uns die Völker der heutigen sogenannten Entwicklungsländer eines Tages überlegen sein, weil diese Menschen ihre naturgegebenen Fähigkeiten erhalten oder sogar weiterentwickeln.

Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Ich bin selbst recht technikbegeistert und besitze Handy, Taschenrechner, Computer, Navi und vieles mehr und liebe die Möglichkeiten, vor allem aber die Bequemlichkeit, die sie mir bieten. Ich finde nur, dass wir darauf achten müssen, dass wir durch das intensive Nutzen dieser Möglichkeiten nicht zu weit degenerieren.

Ähnlich wie es heute Fitnesscenter gibt, die den Mangel an körperlichen Herausforderungen kompensieren sollen, brauchen wir so etwas wie geistige Fitnesscenter!



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