Meine Meinung!
 

 Schulnoten

29. November 2009

Dieser Aufsatz will dazu beitragen, die Bedeutung von Schulnoten wieder dorthin zu rücken, wo sie meiner Meinung nach hingehört. Hauptadressat sind dabei weniger die Lehrer sondern mehr die Eltern der Schüler!

Ich habe mal eine Zeit lang das Amt des Elternsprechers oder wie es manchmal auch hochtrabend heißt des "Klassenelternbeiratsvorsitzenden" bekleidet. In dieser Funktion hat man mir während eines Konflikts um Bewertungsmaßstäbe vorgeworfen, ich sei gar kein Eltern- sondern ein Lehrervertreter.

Darin liegt meiner Meinung nach schon die Wurzel des Übels: Dass es regelrechte Fronten gibt und man entweder zur einen oder zur anderen Seite gehört. Meines Erachtens haben beide Parteien - Eltern wie Lehrer - das selbe Ziel, die einen weil sie ihre Kinder lieben, die anderen von Berufs wegen und weil es ihr Auftrag ist: Dieses Ziel ist, unseren Kindern die Bildung, das Wissen und die Fähigkeiten zu vermitteln, die sie in ihrem Leben brauchen werden, und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Neigungen und Schwerpunkte für die Berufswahl zu identifizieren.

Oder muss ich sagen: "Das sollte beider Ziel sein."? Denn häufig habe ich den Eindruck gewonnen, es gehe Eltern vor allem darum, ihren Kindern ein Dokument mit Namen "Zeugnis" zu verschaffen, das es ihnen ermöglicht, im Konkurrenzkampf um die wenigen Ausbildungs- und Studienplätze für angesehene Berufe zu bestehen und einen solchen zu erhalten. Es beginnt schon bei Zeugnissen, die für Bewerbungen o.Ä. völlig irrelevant sind. Das Zauberwort dabei sind die Noten. Die wenigsten fragen nach Inhalten, nach Wissen oder nach Fähigkeiten.

Aber ich muss vorne anfangen:

Wozu gibt es Noten? Noten sollen das Ergebnis einer Leistungsmessung sein. Auf ihrer Grundlage wird am Ende eines Schuljahres beurteilt, ob ein Schüler (zum Genus dieser Formulierung s. auch Sprachliche Emanzipation) den Lehrstoff hinreichend aufgenommen hat, um darauf aufbauend weitere Inhalte lernen zu können. Darüber hinaus sind Noten zum einen die Rückmeldung für den Schüler, die er braucht, um sein Lernen nach Intensität und Themenschwerpunkten zu steuern, zum anderen bilden sie einen Teil der Motivation, sie sind sozusagen die formalisierte Form von Lob und Tadel.

Vorstehender Absatz enthält gleich zu Beginn ein Reizwort, für dessen Gebrauch man heute oft schräg angesehen wird, und das in Gesprächen und Diskussionen für manchen eine Provokation darstellt: Leistung. Sie, lieber Leser, und ich werden nie auf einen Nenner kommen und Sie können sich das Weiterlesen zum Thema Schulnoten sparen, wenn wir uns nicht darüber einig sind, dass jedes Mitglied unserer Gesellschaft entsprechend seiner Möglichkeiten eine gewisse - wie auch immer geartete und bewertete Leistung - zu erbringen hat und im Gegenzug dazu Entlohnung, Anerkennung usw. erhält.

Ich fürchte, diese für sich allein stehende Aussage werden viele missverstehen. Ich werde wohl demnächst eine eigene Seite dazu schreiben müssen. Hier nur so viel: Dieser Gedanke ist nicht unsozial, im Gegenteil. Er enthält nämlich die wichtige Formulierung "entsprechend seiner Möglichkeiten". Darüber kommen wir auch wieder auf die Schulnoten:

Es wäre doch völlig sinnlos, wenn jemand, der besonders sprachbegabt ist, in einem naturwissenschaftlichen Labor arbeiten würde, wenn ein Legastheniker als Journalist Probleme hätte, seine Artikel zu schreiben oder wenn ein handwerklich begabter Mensch Philosophie zu studieren hätte. Vom Grundsatz her haben Menschen unterschiedliche Neigungen, Vorlieben und Talente - man könnte auch sagen Eignungen für einen Beruf oder eine Tätigkeit. Manch einer entdeckt seine wahren Qualitäten gar nicht oder erst spät, weil die Themen ihm in der Schule verleidet wurden. Auch das kommt vor, aber grundsätzlich gilt die Aussage.

Aufgabe eines Zeugnisses ist es, ein Profil dieser Neigungen, Fähigkeiten und Talente darzustellen und zwar sowohl hinsichtlich der thematischen Schwerpunkte als auch hinsichtlich der Intensität. Nur so kann eine angemessene weitere Ausbildung erfolgen.

Es ist kontraproduktiv - und damit komme ich auf die eingangs erwähnten Eltern zurück, die für ihr Kind unabhängig vom Gelernten vor allem gute Noten wollen - das Profil zu verzerren, um einen besser bezahlten oder angeseheneren Beruf ergreifen zu können, denn langfristig erfolgreich werden unsere Kinder in ihrem Beruf nur dann sein, wenn sie die Anforderungen erfüllen können, wenn sie etwas leisten; und nur dann werden sie auch Spaß an ihrem Beruf und am Leben haben.

Um in einem Bild zu sprechen: Wenn die Tankanzeige auf "voll" steht, obwohl der Tank leer ist, dann ist das Auto für den Zweck, zu dem man auf die Tankanzeige geschaut hat, nämlich damit zu fahren, nicht brauchbar. Erschwerend kommt hinzu, dass man der Tankanzeige in der Folge auch nicht mehr vertrauen wird.

Übertragen auf die Zeugnisse bedeutet das: Inflationäre Noten - also immer bessere Urteile für immer schlechtere Leistungen - führen dazu, dass Zeugnisse als sinnvolles Werkzeug zur sachgerechten Auswahl immer weniger geeignet sein werden.

Schulzeugnisse als Kriterien in Auswahlverfahren halte ich lange nicht für so unproblematisch, wie es sich in vorangegangenen Absätzen aus Gründen der Vereinfachung vielleicht liest. Einen Ersatz, der mit vergleichbarem Aufwand Vergleichbares leistet, gibt es aber leider nicht. Deshalb sollten wir Eltern wieder mehr darauf achten, dass unsere Kinder sinnvolle Inhalte gut vermittelt bekommen, anstatt permanent den Leistungsdruck und die zu strenge Notengebung zu bemängeln.

Wo liegen die Probleme, wenn man Schulzeugnisse als Auswahlkriterien verwendet?

Wie eingangs beschrieben bewerten Schulnoten eine erbrachte Leistung in Bezug auf den in der Schule zu vermittelnden Stoff. Die Hauptprobleme bei der Übertragung dieser Bewertung z.B. auf die Eignung für einen bestimmten Beruf liegen darin, dass sich zum einen der Schulstoff nicht eindeutig auf die Berufsanforderungen projizieren lässt. Ein Banklehrling sollte vielleicht ganz gut in Mathe sein, ein Journalist sollte eine gute Deutschnote haben. Welche Schulfächer aber sind für Bäcker, Lokführer, Zahnärzte oder Rechtsanwälte wichtig?

Zum anderen sagt die erbrachte Leistung nicht unbedingt etwas über die Leistungsfähigkeit aus. Dieser Unterschied gilt sogar in beide Richtungen: Auch eine gute Note bedeutet nicht zwangsläufig eine hohe Leistungsfähigkeit, z.B. weil die Note nichts über den Aufwand besagt, der erforderlich war, die Leistung zu erbringen. Als letztes Problem sei angeführt, dass man den Bewertungsmaßstab nicht kennt und dass der sich von Bundesland zu Bundesland, von Schule zu Schule und von Lehrer zu Lehrer unterscheidet.

Außer den unterschiedlichsten Interventionen von Eltern, die für ihre Kinder bessere Noten erreichen wollen, gibt es inzwischen sogar institutionalisierte Mechanismen, die die Darstellung des schulischen Leistungsprofils verfälschen: Es gibt z.B. Schulrichtlinien, wonach Kinder, die an Legasthenie leiden, bei der Leistungsbewertung bzgl. Rechtschreibung eine Sonderbehandlung erfahren. Ich halte das für falsch. Mit der selben Begründung müsste man dann auch unsportliche Schüler im Sportunterricht besser benoten, Kinder ohne musikalisches Talent dürften im Musikunterricht nicht schlecht benotet werden und Fünfen in Mathematik dürfte es auch nicht mehr geben. Ach ja, Kunst und Werken sind natürlich auch Fächer, in denen der Erfolg absolut talentgebunden ist; auch dafür müsste es demnach Sonderregeln geben.

Quatsch! Die Noten sind doch - mit allen oben genannten Schwierigkeiten - genau dazu da, widerzuspiegeln was jemand kann und was er nicht kann, welche Begabungen er hat und welche nicht (s.o.). Warum er etwas nicht kann, ist dabei völlig irrelevant.

Dass diese Fähigkeitseinschätzung möglichst zutreffend durchgeführt werden kann, ist im Interesse unserer Kinder! Niemand wird glücklich in einem Beruf, für den er nicht geeignet ist.

Eine Note sagt NICHTS aus über den Charakter oder den "Wert" eines Menschen.

Ich finde deshalb, wir Eltern sollten Noten nicht überbewerten, erst recht nicht, wenn es sich "nur" um Versetzungszeugnisse und nicht einmal um Abschlusszeugnisse handelt. Lasst uns einfach akzeptieren, dass Lehrer unterschiedliche Maßstäbe und unsere Kinder unterschiedliche Talente haben.

Was sollten wir tun, wenn unsere Kinder schlechte Noten mit nach Hause bringen?

Zuerst was wir nicht tun sollten: Pauschal und undifferenziert - womöglich noch im Beisein des Schülers - die Qualifikation des Lehrers bezweifeln und auf dessen mangelhaften Unterricht und die völlig überzogenen Anforderungen schimpfen. Wir müssen uns eingestehen und unseren Kindern zubilligen, dass sie keine Wunderkinder sind und auch ihre Schwächen haben; sie sind deswegen kein bisschen weniger liebenswert oder einzigartig.

Positiv formuliert sollten wir die Ursachen suchen, nur so können wir im Sinne einer guten Bildung hilfreich eingreifen. Die Möglichkeiten sind vielfältig und bilden manchmal auch eine kausale Kette: Mangelnde Vorbereitung auf eine Klassenarbeit kann beispielsweise Folge schlechter Selbstorganisation sein. Sie kann auch darin begründet liegen, dass unsere Kinder die Tragweite schulischer Bildung noch nicht richtig einschätzen können; sie haben andere Interessen. Wir müssen ihnen helfen, sowohl ihre Bildung als auch ihre momentanen, kaum weniger wichtigen Interessen (Sport, Freunde, Computerspiele, ...) als ihre eigenen Ziele zu sehen und beides ausgewogen miteinander zu verbinden.

Schlechte Noten sollten uns Anlass sein, unsere Kinder zu fördern, sie zu motivieren, damit sie die Bildung und damit die Chancen erhalten, die sie brauchen - nicht damit die Noten besser werden. Natürlich kann mangelnde Bildung im Einzelfall auch auf eine schlechte Lehrerleistung zurückzuführen sein. Wie in jedem anderen Beruf gibt es auch unter Lehrern gute und weniger gute. Daran können wir aber nichts ändern. Die einzige Konsequenz, die wir daraus ziehen können, ist, solche Bildungsausfälle so gut wie möglich zu kompensieren z.B. durch Nachhilfe oder Anleitung beim Selbststudium.

Während meiner Schullaufbahn hatte ich zwei Jahre Französisch (als dritte Fremdsprache, deshalb nur so kurz). Im ersten Jahr hatte ich eine strenge Lehrerin und eine Vier im Zeugnis. Im zweiten Jahr unterrichtete uns ein netter Lehrer, der mir eine Zwei gab.

Am meisten gelernt habe ich bei der Lehrerin im ersten Jahr. Dafür bin ich ihr heute dankbar. Nach meiner Zeugnisnote in Französisch hat bis heute niemand mehr gefragt, wohl aber nach meinen Französischkenntnissen.

Liebe Eltern, seid gelassen hinsichtlich Noten, achtet auf eine gute Ausbildung eurer Kinder, unterstützt sie und liebt ihre Schwächen wie ihre Stärken!


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